Klassische Konditionierung – ist das nicht dieses Experiment mit dem sabbernden Hund?
Jeder Mensch kommt in seinem Leben mit dem Konzept der klassischen Konditionierung in Kontakt – entweder bewusst oder unbewusst.
Diese Übersicht soll dir dabei helfen, die Theorie der klassischen Konditionierung aus einer biologischen bzw. psychologischen Sicht zu verstehen. Hier erfährst du:
- Was genau man unter klassischer Konditionierung versteht
- Was es mit dem pawlowschen Hund auf sich hat
- Wie die Mechanismen “Kontiguität”, “Generalisierung” und “Extinktion” funktionieren
Klassische Konditionierung Definition
Der Physiologe Pawlow stellte eine behavioristische (=das Verhalten von Lebewesen untersuchende) Lerntheorie auf. Es handelt sich dabei um die klassische Konditionierung.
Das Konzept beschreibt das Zusammenspiel von Reizen und Reaktionen beim Lernen neuer Verhaltensweisen. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Reaktionen, die ein Lebewesen erlernt hat, durch einen Lernprozess auf verschiedene Situationen übertragen werden können.
Was wird bei der klassischen Konditionierung gelernt?
Bei der klassischen Konditionierung wird gelernt, eine bestimmte Reaktion an einen Reiz zu koppeln, der auf natürliche Weise keine Reaktion hervorrufen würde.
Um zu verstehen, wie dieser Lernprozess funktioniert, müssen wir uns erst einmal mit den wichtigsten Begriffen der Konditionierung auseinandersetzen:
= Unconditioned Stimulus (US)
Ein Stimulus, der eine natürliche, angeborene Reaktion auslöst.
Beispiel: Jemand bewegt ruckartig die Hand knapp vor dein Gesicht. Dabei musst du ganz automatisch blinzeln. Die Handbewegung ist der US.
= Unconditioned Response (UR)
Eine Reaktion die sich nicht kontrollieren lässt, weil sie natürlich festgelegt ist.
Beispiel: Im obigen Beispiel ist der Lidschlussreflex die unbedingte Reaktion (UR) – es ist ein angeborener, instinktiver Schutzmechanismus.
= Neutral Stimulus (NS)
Ein Stimulus, der keine Reaktion zur Folge hat.
Beispiel: Jemand, der dir gegenüber steht, klatscht in die Hände. Da es hierzu keinen Anlass gibt zeigst du keine Reaktion darauf.
= Conditioned Stimulus (CS)
Ein CS ist ein ursprünglich neutraler Reiz, der mit einem anderen Reiz gekoppelt wird und daraufhin eine Reaktion hervorruft.
Beispiel: Während eine Person vor dir klatscht, bewegt jemand anderes im gleichen Moment seine Hand vor dein Gesicht. Nach einigen Wiederholungen löst das Geräusch der klatschenden Hände allein ein Blinzeln bei dir aus.
= Conditioned Response (CR)
Die CR ist die auf den CS erlernte Reaktion.
Beispiel: Das Blinzeln als Reaktion auf das Händeklatschen ist nun eine bedingte Reaktion (CR).
Pawlowscher Hund – Das Experiment Schritt für Schritt erklärt
Das Experiment Pawlowscher Hund war nicht nur bahnbrechend für die Erforschung klassischer Konditionierung, sondern bietet auch heute noch ein klasse Beispiel, um das Prinzip der Lerntheorie zu veranschaulichen.
Pawlow untersuchte den Speichelfluss bei Hunden und hatte zuvor festgestellt, dass die Tiere beim Geruch, aber auch beim Anblick von Futter mehr Speichel bilden.
Das Futter ist in diesem Experiment ein unbedingter Reiz (US), welcher die unkonditionierte Reaktion (UR) Speichelfluss herbeiführt. Diese Reaktion ist bei Hunden völlig natürlich und muss nicht erst gelernt werden.
Als neutralen Reiz (NS) nutzte Pawlow einen Glockenschlag. Das Geräusch machte den Hund zwar neugierig, allerdings zeigte er keine spezifische Reaktion darauf.
In dem Experiment mit dem Pawlowschen Hund präsentierte der Versuchsleiter dem Hund im Anschluss gleichzeitig das Futter (US) und den Glockenschlag (NS). Der Hund zeigte daraufhin Speichelfluss (UR), da er auf das Futter reagierte.
Diesen Vorgang wiederholte Pawlow einige Male. Dadurch begann der Hund, den Glockenschlag innerlich mit dem Futter zu verknüpfen. Er lernte also: Wenn die Glocke klingt, bekomme ich gleich Futter.
Letztendlich musste Pawlow seinem Hund nur noch die Glocke allein präsentieren, um einen Speichelfluss hervorzurufen.
Durch das Experiment wurde also das Futter (US) mit dem Glockenschlag (NS) verknüpft. Der Speichelfluss als Reaktion auf das Futter (UR) trat dadurch auch beim Läuten der Glocke ein.
Die Glocke ist dadurch von einem neutralen Reiz (NS) zu einem bedingten Reiz (CS) geworden. Den Speichelfluss als Reaktion bezeichnet man jetzt als bedingte Reaktion (CR).
Was wollte Pawlow beweisen?
Iwan Petrowitsch Pawlow wollte ursprünglich nur beweisen, dass sich angeborene Reflexe auch auf neue, erlernte Reiz-Reaktionen übertragen lassen.
Das Erstaunliche ist dabei, dass sich dieses Phänomen nicht nur im Training von Hunden anwenden lässt, sondern sogar auf den Menschen übertragbar ist.
Aus dieser Erkenntnis zum Speichelfluss bei Hunden wurde innerhalb kurzer Zeit ein Meilenstein geschaffen, wenn es um das Lernverhalten von Mensch und Tier geht.
Was ist der Pawlowsche Reflex?
Aufgrund seiner bahnbrechenden Erkenntnisse wurde der damals neu entdeckte bedingte Reflex nach Pawlow benannt.
Der Pawlowsche Reflex ist demnach die konditionierte Reaktion (CR) auf einen Reiz, der vor dem Lernprozess keine Bedeutung für das Versuchsobjekt hatte. Im Beispiel mit dem pawlowschen Hund ist es also der Speichelfluss als Reaktion auf den Glockenschlag.
Kontiguität – Reize mit Reaktionen verbinden
Die Kontiguität beschreibt die zeitliche Komponente der Konditionierung.
Stelle dir vor, Pawlow würde dem Hund das Futter zeigen, aber erst zwei Stunden später mit der Glocke läuten. Der Hund würde in diesem Fall keine Verbindung zwischen den beiden Reizen herstellen, weil er keine Assoziation mehr zum Glockenklang hat.
Generalisierung – 3 Beispiele zum besseren Verständnis
Eine Generalisierung beschreibt in der Psychologie die Verallgemeinerung von Aussagen oder Verhaltensweisen. Damit ist das Phänomen gemeint, dass eine bestimmte Verhaltensweise in mehreren ähnlichen Situationen gezeigt wird.
Zum besseren Verständnis haben wir drei Beispiele von Generalisierung aus dem psychologischen Kontext herausgesucht:
- Pawlows Hund reagiert unter Umständen nicht nur auf den Glockenschlag mit Speichelfluss, sondern auch beim Klingeln einer Kuhglocke, die einen ähnlichen Ton erzeugt.
- Eine Person, die als Kind von einem Hund gebissen wurde, verbindet diese Erfahrung möglicherweise auch mit anderen Tieren und zeigt generell Angst gegenüber allen Hunden.
- Eine Person hat Angst vor dem Zahnarzt. Bei Bohrgeräuschen muss sie nun immer an einen Zahnarztbohrer denken und fühlt sich unwohl.
Extinktion – klassische Konditionierung auflösen
Unter Extinktion verstehst du die Löschung oder auch das Umlernen oder Verlernen von Verhalten.
Bei der klassischen Konditionierung funktioniert das, indem du den bedingten Reiz (CS) mehrmals ohne den unbedingten Reiz (US) präsentierst. Dadurch wird die Verbindung zwischen CS und US geschwächt, bis irgendwann keine bedingte Reaktion (CR) mehr stattfindet.
Bei dem Pawlowschen Hund wäre das der Fall, wenn der Hund mehrmals den Glockenklang hört, ohne dabei das Futter zu sehen. Nach einer Weile verliert der Ton seine Signalwirkung und der Hund zeigt keinen Speichelfluss mehr.
Klassische Konditionierung Beispiele aus dem Alltag
Der Pawlowsche Hund ist das Paradebeispiel für die Erklärung von Lernverhalten. Dennoch gibt es auch einige andere Klassische Konditionierung Beispiele, die dir vielleicht auch aus deinem Alltag bekannt sind.
Beispiel 1: gute Stimmung beim Eis essen
US ist ein warmer Sommertag am Strand. Deine UR darauf ist gute Laune und Freude. Nun stell dir vor, dass deine Eltern dir jedes mal, wenn ihr an den Strand fahrt, ein Eis kaufen. Das Eis wird vom NS zum CS und du zeigst Freude als CR darauf.
Beispiel 2: Lernen von Ekel
Hast du dich schon einmal gefragt, warum kleine Kinder keinen Ekel verspüren? Ganz einfach- sie haben es noch nicht gelernt.
Ekel kann beispielsweise als konditionierte Reaktion auf verdorbenes Essen entstehen. Der unbedingte Reiz, der damit gekoppelt wurde, kann zum Beispiel das “Iiiiih!” der Mutter des Kindes oder auch unangenehmer Geruch oder Geschmack sein, der dann als UR Ekel hervorruft.
Welche Arten von Konditionierung gibt es?
Neben der klassischen Konditionierung gibt es auch noch andere Arten, das Lernverhalten zu beeinflussen.
Der bekannteste Vertreter ist wahrscheinlich die operante Konditionierung. Das Lernprinzip ist hierbei dem der klassischen Konditionierung sehr ähnlich. Allerdings wird hier verstärkt mit Konsequenzen, wie Belohnungen oder Bestrafungen gearbeitet.
Neben diesen zwei Arten der Konditionierung ist auch das Modellernen nach der Theorie von Bandura von großer Bedeutung in der Verhaltenspsychologie. Hierbei werden Verhaltensweisen anhand von Modellen oder Vorbildern veranschaulicht.
Die Lernmethode des Kognitivismus beschäftigt sich hingegen mit komplexen kognitiven Prozessen der Informationsverarbeitung, durch die neue Inhalte gelernt werden sollen.
Klassisches Konditionieren – So kann man das Prinzip praktisch anwenden
Zum Schluss möchten wir dir noch ein paar praktische Tipps mit auf den Weg geben, mit denen du klassisches Konditionieren in deinen Alltag einbringen kannst.
Beruhige deinen Hund!
Dieses Beispiel richtet sich an alle Tierbesitzer, die ihren Hunden, Katzen oder auch Meerschweinchen etwas neues beibringen wollen. Versuche doch mal, dein Tier zu streicheln oder es mit Musik zu beruhigen. Gleichzeitig wiederholst du Worte wie “ruhig” oder “Relax”.
Nach einer Weile wird dein Haustier den Begriff mit beruhigenden Streicheleinheiten verbinden und sich von ganz alleine entspannen.
Stelle dich deinen Ängsten!
Wie du gelernt hast, können konditionierte Reaktionen auch rückgängig gemacht werden. Hast du beispielsweise Angst vor Spinnen, versuche doch mal, dich in einer entspannten und sicheren Umgebung dich den harmlosen Tieren zu nähern.
Wenn du erstmal siehst, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht, kann deine Angst mit der Zeit “gelöscht” werden.
Iss Schokolade vor dem Unterricht!
Wenn du ein Schulfach nicht magst, dann nimm dir an dem Tag deinen Lieblings-Schokoriegel mit! Esse diesen dann beispielsweise immer kurz vor Beginn des Mathe-Unterrichts.
Nach einiger Zeit wirst du dich auf den Matheunterricht freuen, weil du den leckeren Geschmack der Schokolade damit verbindest.
Teste dein Wissen zur Klassischen Konditionierung
Das waren ganz schön viele Informationen. Bist du bereit, dein neues Wissen zu testen?
Ergebnisse
#1. Was ist ein unbedingter Reiz?
#2. Was wird bei dem Experiment "Pawlowscher Hund" untersucht?
#3. Was versteht man unter "Extinktion"?
Klassische Konditionierung FAQ
Was ist für klassisches Konditionieren wichtig?
Bei der klassischen Konditionierung muss ein ursprünglich neutraler Reiz (NS) mit einem unbedingten Reiz (US) verbunden werden. Wird das oft genug getan (siehe: Kontiguität), wird der neutrale Reiz zum bedingen Reiz (CS). Nun reicht der bedingte Reiz aus, um die ursprünglich unbedingte Reaktion (UR) auszulösen. Die unbedingte Reaktion wird durch den bedingten Reiz ausgelöst und wird damit zur bedingten Reaktion (CR).
Was ist der Unterschied zwischen klassischer und Operanter Konditionierung?
Bei der klassischen Konditionierung entsteht durch das Koppeln von Reizen eine bestimmte Reaktion. Bei der operanten Konditionierung wird man selber tätig: Das eigene Handeln hat bestimmte Konsequenzen, sogenannte negative oder positive Verstärker. Je nach Reaktion der Umwelt (positiv/negativ) ist es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, dass eine bestimmte Handlung wiederholt wird.
Welche Ziele werden mit der klassischen Konditionierung verfolgt?
Die klassische Konditionierung wird beim Tiertraining, in der Pädagogik, Erziehung und Lernmotivation eingesetzt. Auch Psychotherapeut*innen machen sich die Erkenntnisse zunutze, um z. B. bestimmte, angsteinflößende Reize durch Gegenkonditionierung oder Extinktion in ihrer Wirkung zu schwächen.
Was ist der Pawlowsche Reflex?
Der Pawlowsche Reflex ist die durch Konditionierung erlernte bedingte Reaktion (CR) auf einen bedingten Reiz (CS) (ursprünglich neutral (NS)).
Haben dir unsere Tipps gefallen? Erzähle uns doch mal von einem Beispiel der Konditionierung, das du aus deinem Alltag kennst in den Kommentaren!
Fragen zum Thema und weitere Anregungen sind natürlich auch immer willkommen.
Kennst du schon unsere Ratgeber zu Bedürfnis, Bedarf und Nachfrage, zur sozialen Marktwirtschaft und zu den besten Zeitmanagement Apps?
Ich bin Jahrgang 55. 1959 kam ich in den Kindergarten. Damals war es u.a. üblich, lebhafte Kinder (und ich betone: lebhaft und nicht verhaltensauffällig) in dunkle Kisten zu sperren, wenn sie eine andere Meinung hatten, als die Erzieherin. Ich wurde häufiger eingesperrt. Erst gut 50 Jahre später habe ich bei einem Versuch der Durchführung eines MRT’s an mir festgestellt, dass ich extrem klaustrophobisch bin und nur in eine offene Röhre oder durch Aufsetzen eines Spiegels und das dadurch vorgetäuschte räumliche Sehen in eine “normale Röhre kann.
Nach wie vor ist jede Untersuchung geradezu der Horror für mich und ich nehme eine vertraute Person mit, die mir die Hand hält.
Gern würde ich gegen dieses Gefühl angehen können.