Vielleicht hast du schon von der Anapher gehört und möchtest lediglich dein Wissen auffrischen – oder du kennst die Anapher noch gar nicht und würdest gerne mehr darüber erfahren. In beiden Fällen bist du hier genau richtig!
Wir erklären dir anhand von Beispielen…
… was eine Anapher ist,
… wo sie verwendet wird und
… welche Funktionen sie erfüllt.
Legen wir gleich los!
Was ist eine Anapher?
Klären wir die wichtigste Frage zuerst: Was ist eine Anapher überhaupt?
Die Anapher wird dir vermutlich vor allem dann begegnen, wenn du im Deutsch- oder Englischunterricht einen Text analysieren musst.
Neben der Alliteration, Metapher und vielen weiteren gehört sie nämlich zu den zahlreichen rhetorischen Stilmitteln. Genauer gesagt gehört sie zu einer Gruppe von Stilmitteln, die du unter dem Stilmittel Wiederholung (Repetitio) zusammenfassen kannst.
Und genau daran erkennst du die Anapher auch: Wiederholungen am Satzanfang.
Der Begriff “Anapher” stammt übrigens vom griechischen Wort “anaphora” ab, was so viel bedeutet wie “Rückbeziehung” oder “Zurückführen”.
Die Anapher in der Praxis (mit Beispiel)
In einem alltäglichen Gespräch benutzen wir das Stilmittel eher selten – du kannst ja mal versuchen, bewusst darauf zu achten, wenn du dich mit jemandem unterhältst.
Allerdings findest du die Anapher nicht nur in der Literatur in Texten von Schiller, Goethe und anderen Dichtern und Autoren. Sie kommt auch in der Rhetorik vor, also in Reden, und wird in der Werbung in Werbeslogans und Werbespots verwendet.
Schauen wir uns doch mal ein paar Beispiele an:
In der Schule musst du meistens ganz unterschiedliche Texte wie Gedichte oder Kurzgeschichten analysieren. Und bestimmt ist dir dabei schon einmal Goethes Ballade “Der Zauberlehrling” begegnet. Es ist vermutlich eines seiner bekanntesten Werke und enthält gleich mehrere Anaphern.
Zwei davon haben wir dir herausgesucht:
Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.
Willst’s am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.
Auch Redner machen oft von der Anapher Gebrauch. Im Folgenden findest du zwei Ausschnitte aus der Rede, die die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel am Ende ihrer Amtszeit am 02. Dezember 2021 in Berlin gehalten hat:
[…] Dankbarkeit und Demut – Demut vor dem Amt, das ich so lange ausüben durfte;
Dankbarkeit für das Vertrauen, das ich erfahren durfte. […]
Mein Dank gilt auch Ihnen, Frau Bundeministerin, […]
Mein Dank gilt auch dem Stabsmusikkorps der Bundeswehr […]
In der Werbung wird die Anapher ebenfalls sehr häufig verwendet – so häufig, dass wir vermutlich ganze Seiten mit Beispielen füllen könnten. Die folgenden Slogans von bekannten Unternehmen und Marken hast du bestimmt auch schon gehört:
Carglass repariert, Carglass tauscht aus. (Carglass)
Gute Preise. Gute Besserung. (Ratiopharm)
Noch intuitiver. Noch intelligenter. Noch mehr du. (Apple watchOS)
So klein. So fein. So Giotto. (Giotto)
Die Anapher und ihre Wirkung
Als nächstes wollen wir uns ansehen, was die Benutzung einer Anapher in einem Text eigentlich bewirkt. Denn so wie jedes andere rhetorische Stilmittel auch, erfüllt die Anapher eine ganze bestimmte Funktion.
Strukturierung
Durch die Verwendung einer Anapher erhalten Texte Struktur und wirken geordneter.
Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn es sich um lange und komplexe Texte handelt.
Rhythmisierung
Vor allem in der Poesie hat das Stilmittel außerdem einen Einfluss auf das sogenannte Metrum, also das Versmaß, und damit auf den Rhythmus und die Struktur des Gedichts.
Die Wiederholung kann dabei zum Beispiel besonders gleichmäßig oder auch beschleunigend und dringlich wirken.
Schlüsselwörter
Zu guter Letzt sorgt die Anapher auch dafür, dass besonders wichtige Wörter in einem Text, also sogenannte Schlüsselwörter, stärker hervorgehoben werden.
Durch die Wiederholung werden diese Schlüsselwörter extra stark betont und prägen sich so deutlich besser ins Gedächtnis ein.
Wenn du die Wirkung einer Anapher im Text beschreiben musst, achte aber immer darauf, dass das Stilmittel nicht unbedingt nur eine der beschriebenen Funktionen erfüllt. Die gleiche Anapher kann mehrere Funktionen auf einmal erfüllen.
Verschiedene Wiederholungen im Vergleich
Weiter oben haben wir schon einmal erwähnt, dass die Anapher Teil einer größeren Gruppe von Stilmitteln ist. Damit du diese unterschiedlichen Arten der Wiederholung problemlos auseinanderhalten kannst, wollen wir dir ein paar weitere vorstellen.
Wir beschränken uns hierbei auf die vier Stilmittel, die der Anapher am ähnlichsten sind: die Epipher, der Kyklos, die Anadiplose und die Symploke.
Die Epipher ist sozusagen das Gegenteil der Anapher.
Statt einer Wiederholung am Anfang des Satzes, wird hier ein Wort oder eine Wortgruppe am Ende von auseinanderfolgenden Sätzen, Versen oder Strophen wiederholt.
Beispiel: “Ende gut, alles gut.” (Sprichtwort)
Beim Kyklos findet sich die Wiederholung am Anfang und am Ende eines Satzes, Verses oder einer Strophe. Ein Satz beginnt also mit einem Wort und derselbe oder ein anderer Satz endet mit demselben Wort.
Beispiel: “Entbehren sollst du! sollst entbehren!” (Goethes “Faust”)
Um eine Anadiplose handelt es sich, wenn ein Wort vom Ende eines Satzes am Anfang des nächsten Satzes wiederholt wird.
Beispiel: “Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen, Wind und Wellen spielen nicht mit dem Herzen.” (Goethes “Seefahrt”)
Und zu guter Letzte ist da noch die sogenannte Symploke. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Anapher und Epipher. Es gibt also eine Wiederholung sowohl am Satzanfang als auch am Satzende.
Beispiel:
“Alles geben die Götter, die unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz,
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.” (Goethes “Alles geben die Götter”)
Falls du dir auch die anderen Stilmittel der Wiederholung ansehen möchtest, findest du hier eine vollständige Liste: Stilfiguren der Wiederholung. Diese Liste enthält auch Sonderformen der Wiederholung, zu denen zum Beispiel die Alliteration gehört.